Der Beitrag war zu hören am 28.10.18 in der Matinee auf SWR2.
Nicht nur Menschen wandern, sondern auch geologische Formationen. Ein Beispiel dafür sind Wanderdünen. Das sind große oder kleine Sandhaufen und die bewegen sich, angetrieben nur vom Wind. Und dabei singen sie manchmal sogar. Wenn man sie nicht zum Stehen bringt.
„Da wird eben Sand von der einen Seite der Düne, der windzugewandten Seite der Düne zur gegenüberliegenden windabgewandten Seite transportiert. Und so wandert die kontinuierlich, Schritt für Schritt, mit dem Wind.“
Professor Markus Fuchs, von der Justus-Liebig-Universität Giessen ist Geomorphologe. Dünen interessieren ihn.
„Eine Düne selbst ist immer ein dynamisches System. Die bewegt sich immer, von daher ist jede Düne eine Wanderdüne, denn die ist immer in Bewegung.
Die können sehr weite Strecken zurücklegen. Dünen können ja auch sehr große Ausmaße annehmen, von Zehnermetern bis Kilometer bis tausende von Kilometern. Und Dünen bewegen sich durchaus über hunderte von Metern.
Und das faszinierende auch an solchen Dünenlandschaften ist, dass man Dünenlandschaften entdeckt, wo man gar keine erwarten würde.“
In Klein Schmölen in Mecklenburg zum Beispiel.
„Es gab drei große Eiszeiten: die Elstereiszeit die vor ca. 500.000 Jahren stattfand, dann gab es die Saaleeiszeit die war vor ca. 250.000 Jahren, und dann die letzte, die Weichseleiszeit, die dieses Gebiet entscheidend geformt hat. Und die endete vor ca. 10.000 Jahren.“
„Das Elbetal war teilweise 10-15 km breit und dann hat der Wind angefangen zu arbeiten und hat dann diese losen und trockenen Sandflächen der Teilbereiche überweht, und das feine Material der Sande wurde vor sich her getrieben und ist dann so zu Dünen aufgeweht über die Jahrhunderte, die Jahrtausende, so dass man dann nach der Eiszeit die Entstehung der Dünen hatte.“
„Dieses Gebiet war fast vegetationsfrei und der Wind hat ja eine unheimliche Kraft um eben diesen abweichende Talsande aufzuwehen zu großen Dünenkomplexen. Und eben hier auch in Klein Schmölen, die aufgeweht wurde, bis 41 m über Normal Null.“
„Es sind eigentlich – so sagen wir jedenfalls – die größten Binnen-Dünen an der Elbe.“
Dirk Foitlänger und Simone Scheider arbeiten für das Biosphärenreservat Schaalsee-Elbe in Mecklenburg. Sie organisieren Führungen und informieren die Besucher. Tausende kommen jedes Jahr, parken das Auto direkt hinter den letzten Häusern von Klein-Schmölen oder stellen das Rad ab und besteigen die Düne: einen Riesen-Haufen Sand – 2 Kilometer lang, 600 Meter breit – völlig unerwartet in der ansonsten topfebenen Elb-Landschaft.
„Ja das ist der herrliche Ausblick, das lohnt sich. Ein schwieriger Aufstieg, weil der Sand eben auf dem Steigungs-Weg weg rutscht, wenn man drauftritt.“
Sand hat seine eigene Magie. Vom Wind lassen sich die Körnchen zu seltsamen Gebilden auftürmen, sie legen sich gern in Wellenmustern, häufen sich zu sanften Hügeln oder türmen sich zu steilen Hängen. Rieselt dort ein Sandkorn herunter, kann es Millionen andere ins Rutschen bringen. Und das kann ziemlich Lärm machen.
Die Düne – sagt man – singt dann. Oder sie brummt oder dröhnt.
So eine Wanderdüne ist rücksichtslos. Sie geht über alles hinweg, was ihr im Wege steht. Feinen Sand nennt man deshalb auch die „weiße Pest.“ Unaufhaltsam legt er sich über Sraßen, Bahnlinien, Häuser, Siedlungen.
„Und da gibt’s immer so Beispiele dafür, wie in Dänemark, wo langsam die Häuser oder auch ein ganzer Leuchtturm von der Düne überweht werden.“
Auch in Klein-Schmölen war die Düne ziemlich lange in Bewegung, der Sand wehte auf die Felder der Bauern, rieselte auf die Dächer der Höfe.
„Das war so eine Plage, was auf die Dörfer bedroht hat. Die Bewirtschaftung der Menschen und man hat dann angefangen die Düne zu verfestigen, indem man versucht hat Strand-Hafer anzupflanzen, was nicht wirklich genutzt hat. Was wirklich genutzt hat ist eben die Aufforstung, also dass man mit der Aufforstung begann mit der kleinen Waldkiefer.“
Heute ist die Düne zum großen Teil bewachsen. Sandthymian, Silbergras, Rentierflechte und Heidenelken haben sich tief verwurzelt, den Wandertrieb weitestgehend gebremst. Auf der Kuppe stehen Kiefern.
„Und wir sehen wirklich nur die Kronen der Kiefern, weil die Kiefern wurden im Laufe der Jahre auch mit Sand überweht.“

Die Wanderdüne Klein Schmölen ist fast schon sesshaft geworden. Das ist nicht überall so: In den großen Trockengebieten der Erde, zum Beispiel in der Sahelzone, ist die Gefahr groß, dass bewachsene Dünen ihre Vegetation verlieren und sich wieder auf den Weg machen, sagt Professor Markus Fuchs.
„Da ist der Bevölkerungsdruck und damit der Hunger nach Land und damit der Bedarf an Nahrungsmitteln so, dass man da in Flächen reingeht, wo man normalerweise gar keine Landwirtschaft betreiben sollte oder mit seinen Vieh erst gar nicht reingehen sollte. Dann frisst natürlich das entsprechende Weidevieh die Vegetation weg und dann kann die Mobilität der Düne wieder aktiviert werden.“
Und wenn die Düne sich in Bewegung setzt, dann muss der Mensch vor dem Sand weichen und woanders hin wandern.